Außen hui, innen pfui: Belasten Photoinitiatoren unsere Lebensmittel?

Eine hübsch bedruckte Lebensmittelverpackung landet bei den Meisten schnell im Einkaufswagen. Was viele nicht wissen: Im Farbdruck enthaltene Photoinitiatoren sorgen regelmäßig für Produktrückrufe, weil sie unsere Lebensmittel und damit womöglich unsere Gesundheit belasten. Doch was hat es mit «Photoinitiatoren» überhaupt auf sich? Von Rebecca Klapp.

Die Devise: Je bunter, desto besser

Bunt schillernde Farben erregen schnell unsere Aufmerksamkeit – kein Wunder, dass Lebensmittelhersteller ihre Verpackungen mit auffälligen Farben und Mustern bedrucken. Verpackungen sollen schön aussehen und sich von der Konkurrenz abheben. Man will den Käufer von sich überzeugen. In den Supermarktregalen gilt nicht nur in der Obst- und Gemüseabteilung das Konzepz: Je bunter, desto besser! Sogar die Brottüten in der Bäckerei ziert ein Werbefarbdruck.

Aber wer kennt es nicht: Die vom Croissant durchweichte Bäckertüte? Die mit dem Pizzakarton verklebte Pizza? Oder Fisch, der auf dem Markt in Zeitungspapier eingewickelt wird? Spätestens hier sieht man augenscheinlich, wie Verpackung, Aufdruck und Lebensmittel miteinander verschmelzen. Die Migration von Schadstoffen aus der Verpackung in die Lebensmittel kann allerdings auch schon auf mikroskopischer Ebene stattfinden, ohne dass man es mit bloßen Auge erkennt. Dennoch ist der Verpackungsdruck in der heutigen Zeit essenziell. Schließlich finden wichtige Informationen, wie Zutatenlisten mit Allergenen, Mindesthaltbarkeitsdatum, Zubereitungshinweise, Chargennummer und Anschrift des Unternehmens Platz auf der Verpackung und sind allein aus rechtlichen Gründen unverzichtbar.

Lebensmittelrückruf wegen “Photoinitiatoren”

Mitte März 2022 wurde in Deutschland ein Weichkäse zurückgerufen. Grund dafür waren die erhöhten Werte an sog. Photoinitiatoren. Doch was sind diese scheinbar gefährlichen Photoinitiatoren eigentlich? Photoinitiatoren sind Hilfsstoffe, die dazu dienen, den Farbdruck auf Verpackungen innerhalb kurzer Zeit auszuhärten (BFR, 2008).

Wer glaubt, der Weichkäse war nur eine Ausnahme, irrt. Etwa war ein Photoinitiator namens 4-Methylbenzophenonder der Grund, weswegen Frühstückscerealien im Jahr 2009 zurückgerufen wurden (EFSA 2009). Neu sind Photoinitiatoren in der Lebensmittelindustrie also nicht. Die Forschung dagegen steht noch am Anfang. Genau wie damals im Jahr 2009, sind die genauen Auswirkungen auf den Körper auch zum Stand des diesjährigen Rückrufs noch nicht gänzlich erforscht. Eine Stellungnahme des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) aus dem Jahr 2008 machte bereits darauf aufmerksam, dass das vergleichsweise gut erforschte Isopropylthioxanthon (ITX) nicht durch andere Photoinitiatoren ersetzt werden dürfe. Immerhin gilt ITX als nicht genotoxisch und in Mengen unter 50 μg pro kg Lebensmittel als unbedenklich. Im Gegensatz dazu ist die Datenlage vieler weiterer Photoinitiatoren damals wie heute zu ungenau, um das Risiko ausreichend abschätzen zu können.

Im Fall von Benzophenon etwa, das 2009 für den Rückruf von Cerealien verantwortlich war, gab es sogar im Jahr zuvor seitens des BfRs den Vorschlag, eine Neubewertung der Risikoabwägung durchzuführen. Grund waren neue Studien, die mögliche krebserregende Eigenschaften des Photoinitiators Benzophenon vermuteten. Für viele weitere genutzten Photoinitiatoren in Verpackungsmaterialien lagen dem BfR zu dem Zeitpunkt noch keine toxikologischen Daten vor.

Im Laufe der Zeit, zum Beispiel acht Jahre später, 2016 wurden weitere Photoinitiatoren vom BfR bewertet. So wurden beispielsweise 2-Benzyl-2-dimethylamino-1-(4-morpholinophenyl)-1-butanon und 2-Dimethylamino-2-(4-methylbenzyl)-1-(4-morpholinophenyl)-1-butanon in bestimmten Mengen als toxikologisch unbedenklich eingestuft.

Klingt trotzdem nach ganz schön viel “Chemie” in unseren Lebensmittelverpackungen, oder? Aber gibt es tatsächlich Grund zu Sorge? Wer nach Photoinitiatoren im Internet sucht, stößt nicht zwangsläufig nur auf Lebensmittelverpackungen und Kontaktmaterialien wie Serviette, Trinkhalme und Co., sondern auch auf Zahnfüllungen und Kontaktlinsen. Hier fungieren Photoinitiatoren nämlich als Kunststoffhärter – vielleicht haben Sie diese Funktion schon selbst beim Zahnarzt erlebt, wenn das blaue UV-Licht für einige Sekunden auf eine neue Zahnfüllung gerichtet wird, um das Material auszuhärten.

Gibt es Risiken für die Gesundheit?

Abb. 1: Schritte im Zulassungsverfahren für Lebensmittelkontaktmaterialien von Antragstellung bis Zulassungsentscheid.
Quelle: BVL

Lebensmittelkontaktmaterialien unterliegen in Deutschland und der EU strengen Verordnungen. In der generellen Rahmen-Verordnung (EG) Nr. 1935/2004, ist unter anderem geregelt, dass Lebensmittelkontaktmaterialien für die menschliche Gesundheit nicht gefährlich sein dürfen. Dabei müssen alle einzelnen Komponenten der Endverpackung geprüft und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft werden. Das fertige Endprodukt hingegen benötigt keine Zulassung mehr. In einem mehrschrittigen Verfahren vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Zusammenarbeit mit der European Food Safety Authority (EFSA) und der europäischen Kommission wird das Produkt mittels Risikoabschätzung geprüft, bevor es in den Gebrauch gelangt. Über mögliche neue wissenschaftliche Erkenntnisse eines Produkts wird im Anschluss kontinuierlich berichtet.

Um ein Gesundheitsrisiko zusätzlich zu minimieren, gibt es für jeden einzelnen Photoinitiator einen sogenannten spezifischen Migrationswert (SML) bzw. Grenzwert, der im Lebensmittel nicht überschritten werden darf. Dieser Wert beschreibt den Übergang von Stoffen aus dem Verpackungsmaterial in ein Produkt. Ist der Wert im Lebensmittel unter dem spezifischen Migrationswert, wird nicht von einer Gefahr für die menschliche Gesundheit ausgegangen. Dennoch müssen auch Zerfallsprodukte und Reaktionsprodukte mit in Betracht gezogen werden, die während der Herstellung und Lagerung entstehen können. Die Lage ist daher durchaus komplex (BfR).

Da das BfR die Möglichkeit des Übergangs von Photoinitiatoren in unsere Lebensmittel als wahrscheinlich einschätzt, müssen sowohl Reaktionsprodukte als auch Ausgangsprodukte quantifizierbar und verifizierbar sein (Leitlinien für die Sicherheitsbewertung von Stoffen zur Herstellung von Lebensmittelbedarfsgegenständen).

Die Risikobewertung wird durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) durchgeführt. Die Anzahl notwendiger Laboruntersuchungen sowie deren Wiederholungen richtet sich nach der durchschnittlich erwarteten Migrationsmenge in das Lebensmittel. Dies dient dazu, das gesundheitliche Risiko bestmöglich abschätzen zu können und die maximal tolerierbaren Mengen festzulegen.

2021 lag der Fokus des Europäischen Stipendienprogramms für die Lebensmittelrisikobewertung (EFSA EU-FORA) unter anderem auf der Erforschung des Risikos von Lebensmittelkontaktmaterialien. Dies ermöglicht das Wissen in Bezug auf Lebensmittelkontaktmaterialien, und insbesondere deren Risikoabschätzung voranzutreiben und benötigte Analysemethoden zu erweitern. Werden erhöhte Werte in einem Produkt nachgewiesen, kommt es zu einem Lebensmittelrückruf. Vor dem Verzehr des Produktes wird dann öffentlich gewarnt!

Schön fürs Auge, schlecht für die Gesundheit?

Keine Frage, bunte Verpackungen schauen hübsch aus. Die Auswirkungen von Photoinitiatoren auf den menschlichen Körper sind allerdings noch nicht vollständig erforscht und die Datenlage ist schwammig. Verschiedenen Photoinitiatoren wird eine Beeinflussung des Hormonhaushaltes nachgesagt (Morizane et al. 2015). Anderen eine potenzielle krebserregende Wirkung, die sich vor allem auf die Leber und die Niere auswirken soll. Wie so häufig beziehen sich die Daten bislang fast ausnahmslos auf Zell- und Tiemodelle (Rhodes et al. 2006).

Eine aktuellveröffentlichte Studie setzte sich mit der Risikoabschätzung bestimmter Photoinitiatoren in einer großen menschlichen Kohorte auseinander. Die gewonnene Erkenntnis: Photoinitiatoren werden über verschiedenste Lebensmittel aufgenommen und können sich im menschlichen Körper anreichern (Chen et al. 2022). Zuvor hatte eine eine andere Studie Photoinitiatoren bereits im menschlichen Blutserum nachgewiesen – was aber natürlich noch kein Nachweis einer gesundheitsschädlichen Wirkung ist (Lui & Mabury 2018).

Pläne für die Zukunft

Abb. 2: Vereinfachte schematische Darstellung der Farbstoffgewinnung aus natürlichen Produkten wie ß-Carotin aus der Karotte durch Isolation und Extraktion zur Herstellung von biobasierten Photoinitiatoren (Noirbent & Dumur 2021).

Schöne Farben hin oder her: unsere Gesundheit sollte nicht der Preis für ein ansprechendes Marketing sein. Aus diesem Grund ist es unbedingt notwendig, die Auswirkungen spezifischer Photoinitiatoren auf den menschlichen Körper im Detail zu erforschen.

Doch wäre es nicht sinnvoll, in Zukunft auf unnötige Verpackungen und Verpackungsaufdrucke nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für unsere Umwelt zu verzichten? Und dies nicht der Photoinitiatoren wegen, sondern auch auf Grund von «Mikroplastik»? Die Zukunftspläne der Industrieforschung deuten jedoch in eine andere Richtung: Geforscht wird an der Entwicklung von natürlichen, «biobasierten Photoinitiatoren», etwa auf Basis von Betacarotin, einem natürlichen Inhaltsstoff der Karotte. Vorwiegendes Ziel hierbei ist jedoch, die Auswirkungen auf die Natur zu minimieren.

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