Omega-3-Fettsäuren zur Asthma-Prävention
Während die physiologische Bedeutung der Omega-3-Fettsäuren unstrittig ist, bleibt die präventive und therapeutische Wirksamkeit entsprechender Supplemente fraglich. Eine dänische Studie liefert starke Hinweise darauf, dass die Einnahme von Fischöl-Kapseln während der Schwangerschaft das Asthma-Risiko des Kindes reduziert.
Physiologische Bedeutung unstrittig
Die physiologische Bedeutung der Omega-3-Fettsäuren ist unstrittig: Sie sind essenzielle Strukturkomponenten in Zellmembranen, fungieren als Regulatoren der neuronalen Genexpression und wirken als Vorstufen zellulärer Mediatoren direkt auf Entzündungsprozesse. An der präventiven und therapeutischen Wirksamkeit entsprechender Supplemente gibt es jedoch nach wie vor berechtigte Zweifel. Die meisten Studien zum Thema Omega-3-Fettsäuren beschäftigen sich mit der fraglichen Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System. Im Mittelpunkt der dänischen COPSAC-Studie stand dagegen die Frage, ob die Gabe von Omega-3-Fettsäuren in der Schwangerschaft das Risiko allergischer Erkrankungen beim Kind reduzieren kann.
Asthma und Omega-3-Fettsäuren
Die Häufigkeit von Asthma und anderen Atemwegserkrankungen steigt in den westlichen Gesellschaften seit Jahren, und inzwischen sind fast 20 % aller Kinder davon betroffen. Schon länger wird auch ein Omega-3-Fettsäure-armes Ernährungsverhalten als mögliche (Teil)Ursache diskutiert: Die Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren ist in der Vergangenheit gesunken, während die Aufnahme von Omega-6-Fettsäuren zugenommen hat. Omega-6-Fettsäuren sind jedoch Vorstufen der Arachidonsäure, aus der wiederum entzündungsfördernde Botenstoffe gebildet werden. So überrascht das Ergebnis zahlreicher Beobachtungsstudien eigentlich nicht, wonach die vermehrte Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren in der Schwangerschaft mit einem reduzierten Risiko für (allergische) Atemwegserkrankungen beim Neugeborenen und im späteren Kindesalter assoziiert ist.
Ob es sich dabei allerdings vielleicht nur um eine Korrelation handelt, oder ob die Omega-3-Fettsäuren tatsächlich kausal zur Risikoreduktion beitragen, war bislang unklar. Deshalb wurde im Rahmen der COPSAC-Studie in einem prospektiv-randomisierten Setting untersucht, wie sich die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren in der Schwangerschaft auf das Erkrankungsrisiko der später geborenen Kinder auswirkt.
COPSAC-Studie: Was wurde untersucht?
Im Zeitraum von 2008 bis 2010 nahmen 736 Schwangere (ab der 24. Schwangerschaftswoche) in Kopenhagen an der Studie teil; ausgeschlossen waren Frauen mit Herz-, Nieren- und endokrinen Erkrankungen sowie mit einer Vitamin D-Supplementation von > 600 I.E. pro Tag. Die Konzentrationen der Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) wurden im Blut der Schwangeren zu Beginn der Studie und eine Woche nach der Geburt sowie in der Muttermilch gemessen; zudem wurde bestimmt, ob eine bestimmte Gen-Variante vorlag (FADS-Polymorphismus), die den Omega-3-Fettsäure-Stoffwechsel beeinflusst. Die Schwangeren der Fischöl-Gruppe erhielten täglich 2,4 Gramm Fischöl (55 % EPA, 45 % DHA), die Schwangeren der Placebo-Gruppe die gleiche Menge Olivenöl.
Von den während des Studienzeitraums geborenen Kindern konnten 695 über fünf Jahre nachbeobachtet werden. Primärer Endpunkt der Studie war die Diagnose von anhaltenden Atemwegsbeschwerden und Asthma; daneben wurden zahlreiche andere, sekundäre Endpunkte erfasst (u. a. Atemwegsinfektionen, Allergien, Körperentwicklung, kognitive Entwicklung).
Risikoreduktion durch Fischöl-Kapseln um fast ein Drittel
Während innerhalb der ersten fünf Lebensjahre aus der Fischöl-Gruppe 16,9 % der Kinder anhaltende Atemwegsbeschwerden zeigten oder Asthma entwickelten, waren es in der Placebo-Gruppe 23,7 % der Kinder (Hazard Ratio 0,69, 95 % KI 0,49-0,97, p = 0,035). Dieser Unterschied um sieben Prozentpunkte entspricht einer relativen Risikoreduktion durch die Fischöl-Kapseln von immerhin 30,7 %.
Am meisten von der Fischöl-Supplementation profitierten Kinder von Schwangeren, die zu Beginn der Studie besonders niedrige EPA-/DHA-Werte aufwiesen. Der Gehalt der Muttermilch an Omega-3-Fettsäuren war ohne Einfluss auf die Asthma-Häufigkeit der Kinder. Nebenwirkungen oder Unverträglichkeiten wurden nicht beobachtet; die Abbrecherquote war in der Fischöl-Gruppe nicht höher als in der Placebo-Gruppe, was für eine sehr gute Verträglichkeit spricht.
Ergebnisse sind plausibel
Tatsächlich deuten diese Ergebnisse auf einen relevanten Vorteil der Omega-3-Fettsäure-Supplementation in der Schwangerschaft hin. Sie bestätigen damit frühere Studien, und auch der pathophysiologische Hintergrund einer entzündungshemmenden Wirkung der Omega-3-Fettsäuren ist plausibel. Die Datenlage ist in der Gesamtschau zwar nicht widerspruchsfrei, wie erst kürzlich die Meta-Analyse von Best et al. zeigte (Best et al. 2016). Dennoch werden auch in Deutschland für Schwangere der regelmäßige Verzehr von Seefisch oder (alternativ) die Supplementation von Omega-3-Fettsäuren (200 mg/Tag DHA) empfohlen (Koletzko B et al. 2015).
Günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis
Diese Empfehlung ist weniger Ergebnis guter Evidenz, sondern sie beruht auf einer pragmatischen Nutzen-Risiko-Abwägung: Die verfügbare Datenqualität ist aufgrund der sehr unterschiedlich konzipierten Studien zwar nur mäßig gut (z. B. Unterschiede bei Dosierungen, Zusammensetzung, Anwendungsdauer, Subgruppen-Design), doch gibt es umgekehrt keine Hinweise auf unerwünschte Wirkungen einer Supplementation während der Schwangerschaft, auch nicht in hohen Dosierungen. Insofern erscheint die entsprechende Empfehlung in dieser Konstellation als durchaus gerechtfertigt. Die in der COPSAC-Studie sehr niedrige Anzahl der notwendigen Behandlungen (number needed to treat, NNT) stärkt dieses Argument zusätzlich: Für die gesamte Studienpopulation betrug die NNT 14,6, für die Schwangeren mit ursprünglich besonders niedriger Omega-3-Fettsäure-Zufuhr (unteres Drittel) betrug die NNT sogar nur 5,6. Das heißt, es müssen 5,6 Frauen mit niedriger Omega-3-Fettsäure-Zufuhr das Fischöl-Supplement einnehmen, damit eine Asthma-Erkrankung (in den ersten fünf Lebensjahren) verhindert wird.
Zum Vergleich: Eine ähnliche niedrige/gute NNT haben sonst beispielsweise nur Substanzen wie Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure bei akuten Schmerzen; für die Anwendung von Statinen im Niedrigrisikobereich liegt die NNT für einen verhinderten Todesfall bei ca. 130 pro fünf Jahren.
Besonderer Vorteil für Schwangere mit niedriger Omega-3-Zufuhr
Dass insbesondere Schwangere mit anfangs besonders niedriger Omega-3-Fettsäure-Zufuhr von der Supplementation profitieren, steht im Einklang mit den grundsätzlichen Erkenntnissen zur Mikronährstoffsupplementation in der Schwangerschaft; damit kann die Omega-3-Fettsäure-Einnahme besonders Veganerinnen bzw. all jenen Schwangeren empfohlen werden, die wenig oder gar keinen fetten Seefisch verzehren.
Wichtige Frage nach optimaler Dosierung offen
Und trotzdem: Auch die Ergebnisse der COPSAC-Studie lassen relevante Fragen unbeantwortet. Besonders wichtig scheint hier die zukünftige Klärung einer Dosisabhängigkeit des Effekts, denn die in der Studie verwendeten Dosierungen waren so hoch, dass sie erheblich über den üblichen Dosierungen der bei uns erhältlichen Supplemente liegen – und auch mit Lebensmitteln (fettreicher Seefisch) wären entsprechenden Mengen in der Realität nicht zu erreichen. Insofern müsste überprüft werden, ob auch niedrigere Dosierungen ausreichen – oder ob umgekehrt die Dosierungen der verfügbaren Supplemente anpasst (sprich: erhöht) werden müssten.
Supplementation für alle?
Unklar bleibt ebenfalls, ob die Kinder von Schwangeren mit besonderem Risikoprofil (z. B. Vorerkrankung an Asthma oder atopischen Erkrankungen) von der Omega-3-Fettsäure-Supplementation besonders profitieren bzw. ob die Supplementation für Schwangere ohne individuell erhöhtes Risiko im Hinblick auf das Erkrankungsrisiko der Kinder überflüssig wäre. Die aktuelle S3-Leitlinie „Allergieprävention“ empfiehlt hier – und zwar ohne Berücksichtigung des individuellen Risikos der Schwangeren – den regelmäßigen Verzehr von Fisch (nicht: Supplementen) in der Schwangerschaft und Stillzeit, um damit einen protektiven Effekt auf die Entwicklung atopischer Erkrankungen zu erzielen (Schäfer et al. 2014). Doch auch bei dieser Empfehlung ist unklar, ob der günstige Effekt allein auf den im Fisch enthaltenen Omega-3-Fettsäuren beruht oder ob nicht auch andere Komponenten (z. B. Fischprotein) eine Rolle spielen.
Zuckerzufuhr blieb leider unberücksichtigt
Daneben deuten aktuelle Daten auf einen weiteren, ernährungsmedizinisch relevanten Risikofaktor für die spätere Entstehung atopischer Erkrankungen hin: die erhöhte Zufuhr freier (zugesetzter) Zucker in der Schwangerschaft (Bédard et al. 2017). Die Effektstärke in diesem Zusammenhang (Risikoerhöhung) ist ähnlich groß wie die Effektstärke der Omega-3-Fettsäuren in der COPSAC-Studie (Risikoreduktion). Eine entsprechende Stratifizierung fand in der COPSAC-Studie jedoch leider nicht statt.
Vitamin D spielt keine Rolle
A propos Stratifizierung: Die Studienautoren hatten die teilnehmenden Schwangeren auch nach ihrer Vitamin D-Supplementation unterteilt; Hintergrund sind frühere epidemiologische Daten, wonach eine geringe Vitamin D-Zufuhr in der Schwangerschaft mit erhöhten Prävalenzen von Asthma und atopischen Erkrankungen der Kinder assoziiert war. Dieser Zusammenhang ist inzwischen eindeutig widerlegt (Manousaki et al. 2017).
Leider Olivenöl als Placebo verwendet
Eine methodische Einschränkung stellt außerdem die Entscheidung der Studienautoren dar, als Placebo Olivenöl-Kapseln zu verwenden. Zwar enthält Olivenöl praktisch keine Omega-3-Fettsäuren (z. B. α-Linolensäure < 1 %), dafür aber als Hauptkomponente Ölsäure (Omega-9-Fettsäure) und geringe Mengen Linolsäure (Omega-6-Fettsäure), die mit dem Omega-3-Stoffwechsel interagieren und die eigenständige immunmodulatorische Effekte ausüben. Hier wäre eine andere Placebo-Wahl sinnvoll gewesen.
Fazit: Supplementation sinnvoll – Fragezeichen bleiben
Durch die Gabe von hochdosierten Omega-3-Fettsäure-Supplementen im letzten Drittel der Schwangerschaft kann das Risiko, im Kleinkindalter an Asthma zu erkranken, um rund 30 % reduziert werden. Besonders profitieren davon die Kinder von Frauen mit ursprünglich besonders niedrigen EPA- bzw. DHA-Werten. Offen bleibt vor allem die Frage nach der Dosierung: Es gibt zur Zeit kein Präparat mit derartig hohen Dosierungen im Handel, und auch die allgemeine Empfehlung zur Zufuhr von 200 mg/Tag DHA ist fünffach niedriger dosiert als die Präparate in der Studie. Über erhöhten Fischkonsum ist eine derartig hohe Zufuhr ebenfalls nicht zu erreichen.
Unbekannt ist jedoch, ob nicht auch geringere Dosierungen einen vergleichbaren Effekt hätten. Folgestudien werden sich also vor allem mit der Dosisfindung und den noch unbekannten Langzeitwirkungen beschäftigen müssen. Grundsätzlich kann die protektive Wirkung der Omega-3-Fettsäuren in der Schwangerschaft aber als gesichert gelten.
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