Hersteller von Junk Food: Wir wollen Eure Kinder!

Halloween naht. Wer sich richtig schön gruseln möchte, kann einen Blick ins Supermarktregal werfen – oder in die aktuelle Ausgabe des britischen Ärzteblatts. Dort findet sich nämlich eine Gegenüberstellung von Marketing-Ausgaben der Junk Food-Industrie und staatlichen Ausgaben zur Gesundheitsprävention.

Marketing für Junk Food ist eine Klasse für sich

In der Analyse, die im British Medical Journal publiziert wurde, werden die Marketing-Ausgaben der Junk-Food-Industrie in Großbritannien den staatlichen Ausgaben zur Förderung gesunder Ernährung gegenüberstellt (O’Dowd 2017). Fazit: Das Budget der Lebensmittelindustrie für Chips, Süßigkeiten und zuckerhaltige Softdrinks war im Jahr 2016 fast 30 Mal so hoch wie das öffentliche Budget für Maßnahmen zur Förderung gesunder Ernährung. Insgesamt betrugen die reinen Marketing-Ausgaben der 18 größten Hersteller jener Lebensmittel, die die gemeinnützige Obesity Health Alliance als “Junk Food” klassifizierte, 143 Mio. britische Pfund; dem standen staatliche Ausgaben zur Gesundheitsförderung (Change4Life-Kampagne) in Höhe von 5,2 Mio. Pfund gegenüber.

Negativbeispiel zum Gruseln: An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zuckergehalt – in Deutschland ohne Restriktion (4 Stk. Würfelzucker pro 100 g).

Nun ist die britische Küche nur wenigen als Heimstatt exquisiter, nährstoffdichter Delikatessen bekannt. Und Vergleichszahlen aus Deutschland liegen nicht vor. Der Blick ins hiesige Supermarktregal deutet aber nicht darauf hin, dass es um die Zustände hinsichtlich Junk Food bei uns wesentlich besser bestellt ist. Bestes Beispiel dafür ist der “Gewinner” des Goldenen Windbeutels 2017, der Karies-Keks von Alete.

Gesetzgeber müsste sein Monopol nutzen

Was sagt uns das – und zwar jenseits des zweifelsohne berechtigten Kulturpessimismus? Die aktuelle Analyse zeigt wieder einmal, dass das Rennen um die Gesundheit der Bevölkerung durch die öffentliche Hand selbst mit einer maßvollen Ausgabensteigerung allein nicht gewonnen werden kann – zu ungleich sind die finanziellen Ressourcen verteilt. Wenn es um’s Geld geht, stehen sich Gemeinwesen und Lebensmittelindustrie wie David und Goliath gegenüber. Einzig wirksam wäre hier die Nutzung einer ganz besonderen Ressource, für die der Gesetzgeber das Monopol besitzt – die Gesetzgebung nämlich. Weltweit setzen schon jetzt zahlreiche Regierungen auf entsprechende Sonderabgaben, um den Konsum zuckergesüßter Lebensmittel einzuschränken: unter anderem Belgien, Finnland, Portugal, Frankreich, Großbritannien und Irland. Die Mehreinnahmen dienen wiederum zur Finanzierung von Diabetes- und Adipositas-Präventionsprogrammen. Doch in Deutschland ist die Zuckerlobby einflussreicher.

Zur wirksamen Verhältnisprävention empfehlen die WHO sowie die WHO-Kommission ECHO (Ending Childhood Obesity) dringend spezifische Maßnahmen, um insbesondere die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu schützen; diese Maßnahmen umfassen neben “Zuckersteuern” (bei gleichzeitiger Subventionierung „gesunder“ Lebensmittel) auch die gesetzliche Beschränkung der an Kinder gerichteten Werbung.

Erst im Sommer 2017 hatten sich der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) in einem eindringlichen Appell an die Bundesregierung gewandt, auf diesem Feld endlich zu handeln und den WHO-Empfehlungen zu folgen (Offener Brief “Ärzte gegen Fehlernährung”). Der bis Anfang 2018 zuständige “Bundesernährungsminister” Christian Schmidt lehnte eine Beschränkung der an Kinder gerichteten Werbung für stark gesüßte Lebensmittel aus politischen Gründen ab – aller medizinischen Expertise und wissenschaftlicher Evidenz zum Trotz. Leider sieht es so aus, als würde seine Amtsnachfolgerin Julia Klöckner diesem unseligen Weg folgen.

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