Dank Alete: Karies ab dem ersten Zähnchen

Aktuell läuft bei Foodwatch die diesjährige Abstimmung zum “Goldenen Windbeutel” – gesuchter Preisträger ist der Initiator der “dreistesten Werbelüge” des Jahres aus dem Lebensmittelbereich. Mein persönlicher Favorit unter den Kandidaten: Die Alete Kinderkekse – vom Hersteller als “babygerechte” Beikost deklariert.

Was ist “babygerecht”?

Besonders perfide: Deklaration der Kinderkekse als “babygerecht”. (Foto: M. Smollich)

Die Alete Kinderkekse, beworben als Beikost ab dem sechsten bzw. achten Lebensmonat, fallen in der Aufmachung durch die markante Kennzeichnung mit “babygerecht” auf der Vorderseite auf. Dem Verbraucher wird damit suggeriert, es handele sich um ein Produkt, dessen Zusammensetzung für die Beikosteinführung aus ernährungswissenschaftlicher Perspektive besonders geeignet ist. Doch weit gefehlt. In der Fußnote zu “babygerecht” präsentiert Alete nämlich eine eigene – und dabei ziemlich eigenwillige – Definition dieses Begriffs: “Babygerecht” sind die Kekse deshalb, weil sie “für die kleine Hand zum Selberessen” geeignet sind. Nimmt man diese Definition, sind wohl auch Lollies und Würfelzucker absolut “babygerecht”. Und dieser Vergleich ist passend – denn die Alete Kinderkekse zeichnen sich vor allen Dingen durch eines aus: ihren Zuckeranteil von 25 %.

Nährwerte pro 100 g:

  • Brennwert: 415 kcal
  • Fett: 8,5 g (davon gesättigte Fettsäuren: 4,3 g)
  • Kohlenhydrate: 75 g (davon Zucker: 25 g)
  • Eiweiß: 8,5 g
  • Salz: 0,23 g

Ein Zuckergehalt von 25 % ist für Kekse an sich nichts Besonderes; doch in gesunder Beikost haben Zuckerzusätze – erst recht in diesem Umfang – nichts zu suchen. Besonders perfide ist es aber, solche Kekse dann auch noch als “babygerecht” zu deklarieren und diese Produkte damit weniger aufmerksamen (oder kritischen) Eltern als vermeintlich gesunde Beikostprodukte unterzujubeln.

Denn was wirklich babygerecht ist, wissen Wissenschaft und (Ernährungs)Medizin ziemlich gut:

  • WHO: “Salz und Zucker sollten nicht in Beikost zugesetzt sein.” (Fact Sheet No. 394)
  • Netzwerk “Gesund ins Leben”: “Produkte ohne Zugabe von Zucker” (Koletzko et al. 2016)
  • Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ): “Bei der Herstellung sollte auf den Zusatz von Salz und Zucker verzichtet werden”, “Auf den Verzehr von stark gezuckerten Produkten sollte soweit als möglich verzichtet werden.” (DGKJ 2014)

Für all diese deutlichen Warnungen gibt es gute medizinische Gründe; Hauptgefahren einer zuckerreichen frühkindlichen Beikost sind das Kariesrisiko, die lebenslange Süß-Geschmacksprägung und das Übergewichtsrisiko.

Mit Alete: Karies so früh wie möglich

All das stört Alete nicht. Die Firma deklariert das Produkt als “babygerecht” und empfielt es explizit “Zum Knabbern mit den ersten Zähnchen”. Und noch schlimmer: Bereits für sechs Monate alte Säuglinge werden die Kekse als Beikost empfohlen, und zwar versehen mit dem Anwendungshinweis, die Kekse zu zerbröseln und mit Milch oder Fruchtsaft (!) quellen zu lassen (s. Foto). Ach ja, apropos Fruchtsaft: Kinder unter einem Jahr sollten gar keinen Fruchtsaft trinken (American Academy of Pediatrics, 2017).

Laut Alete sind die sogenannten Kinderkekse eine “babygerechte” Beikost bereits für sechs Monate alte Säuglinge, ideal in dieser Kombination: Zuckerkekse mit Fruchtsaft. (Foto: M. Smollich)

Dass sowohl diese Art der Verbrauchertäuschung als auch die Zugabe von großen Zuckermengen zu Säuglingsbeikost in Deutschland noch immer möglich und legal sind, ist dem Einfluss der entsprechenden Lobbyverbände und der Untätigkeit des zuständigen Bundesministeriums geschuldet – bestes Beispiel dafür ist der jüngste Isoglukose-Skandal. Denn zu den spezifischen Maßnahmen, um Kinder und Jugendliche vor ernährungsbedingten Gesundheitsgefahren zu schützen, gehört neben dem Verbot von Zuckerzusätzen zur Beikost die Beschränkung der an Kinder (bzw. an deren Eltern) gerichteten Werbung für stark gesüßte Lebensmittel. So lange der Gesetzgeber hier nicht von seinem gesetzgeberischen Monopol Gebrauch macht, wird er gegen die Marketing-Abteilungen der Junk-Food-Industrie immer am kürzeren Hebel sitzen.

So bleibt zu hoffen, dass in ferner Zukunft Produkte wie diese Alete Kinderkekse ähnliche Verwendung in Vorträgen und Schulungsmaterialien finden wie heute der Marlboro Cowboy: als abschreckendes Beispiel aus einer Vergangenheit, die im Rückblick als kaum fassbar erscheint.

Die Zutatenliste der Alete Kinderkekse im Detail: Weizenmehl, Zucker, Palmöl, Gerstenmalzextrakt, Magermilchpulver, Backtriebmittel, Calciumcarbonat, Eisenlactat, Aroma, Vitaminmischung (Niacin, Riboflavin, Vitamin B6, Thiamin).

Ein Kommentar

  1. Die Tochter einer Freundin von mir, hat wie Sie beschreiben, Karies ab den ersten Zähnchen bekommen. Meine Freundin verwöhnt ihre Tochter viel zu sehr und gibt bei allem nach. Zwar versucht sie auch ab und zu auf die Ernährung zu achten, um einen Ausgleich zuschaffen und war daher von Alete Produkten überzeugt. Aber wie Sie darstellen, sind deren Produkte einem viel zu hohen Zuckeranteil ausgesetzt, was dem Ausgleich alles andere tut, als zu Gute kommen. Dass einzige, was ihrer Tochter jetzt noch hilft, ist wahrscheinlich eine Kariesentfernung bei einem Zahnarzt.

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